Vorab: bei meinem vorherigen Beitrag habe ich offensichtlich die Verlinkung zur genutzten Quelle versemmelt. Quelle ist
Sachsens Spürhunde in der Kritik: "Das ist kein Beweismittel, das ist Humbug!" bei Tag24. Auch, wenn die Quelle durch die Angabe von Medium und Überschrift via Google eindeutig zu finden war, bedauere ich dieses Versehen. Soll sich nicht wiederholen!
Ein zweites Versehen habe ich leider auch noch zu korregieren. Meine Aussage, das abgelieferte Ergebnis sei faktisch unmöglich (ausgearbeitete Spur des Tatverdächtigen über einen Gehweg, der zur Tatzeit Baustelle war), ist unterkomplex. Offenbar hat mein Kopf die eigentliche Aussage "Gehweg Baustelle" warum auch immer unzulässig zu "Baustelle komplett unpassierbar" verwässert.
Denn nur, wenn neben dem Gehweg auch das, was danebenlag (ob Straße oder Park), zur Tatzeit so in Bau/abgesperrt war, dass dort nicht wirklich irgendwer langlaufen konnte, kann die ausgearbeitete Spur nicht stimmen. Warum das so ist, wird durch den letzten Abschnitt am Ende diesen Beitrages von mir verständlich werden.
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Habe vom Podcast Stern Crime Spurensuche die Folge
Mythos Supernase: Was Mantrailer-Hunde wirklich können
entdeckt. Anzuhören bspw.
hier. Aus der dortigen Beschreibung:
In dieser Folge spricht stern-Crime-Reporterin Silke Müller mit der Ausbilderin in der Diensthundeführereinheit der Berliner Polizei, Oberkommissarin Kristin Werda darüber, was Personenspürhunde wirklich können, wie sie die Tiere trainiert und mit ihnen lebt – und warum es nicht zuletzt vor Gericht darauf darauf ankommt, glaubwürdig und seriös zu arbeiten.
Die Textzitate aus dem Podcast sind allesamt meine eigene Verschriftlichung nach bestem Gewissen und Gehör.
Ich habe mir erlaubt, die Zitate nicht rein chronologisch aufzuführen, sondern dort, wo es mir bei den in diesem Thread relevanten Aspekten sinnvoll erschien, von der Chronologie abzuweichen.
Nun zu den aus meiner Sicht relevantesten Stellen.
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Zum verfolgen einer Spur einer Person, die sich in einem Fahrzeug befindet.
Ab ca. 10:57 sagt POK (Polizeioberkommissarin) Werda, nachdem sie zuvor sinngemäß auch über die prinzipiell zwar schon nach außen gelangenden Hautschuppen sprach, die Verfolgung einer solchen Geruchsspur besonders bei schneller fahrenden Autos mit Fenster zu und Klimaanlage an sehr schwierig sei, dies:
Und deswegen - man nennt die Verfolgung einer Person im Fahrzeug Cartrail - werden polizeilich geführte Personenspürhunde dieses nicht anbieten. Also immer, wenn eine Person in einen Bus, in eine Straßenbahn oder in ein Auto sich befindet und sich damit fortbewegt, wird der Personspürhund an seine Grenzen kommen und sagen 'Hier endet für mich die Spur'.
Mein Fazit Cartrails sind nix, was die Polizei (bzw. mind. die interviewte POK Werda als Ausbilderin der Diensthunde der Berliner Polizei) für möglich hält bzw. als zuverlässige Ermittlungsmethode ansieht.
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Zum möglichen Höchstalter einer verfolgbaren Spur.
Ab ca. 15:47 fragt Reporterin Müller:
Wie lange können denn die Hunde jetzt so eine Spur halten? Also über welchen Zeitraum und auch über welche Strecken?
Antwort POK Werda ab ca. 15:53:
Ja, das ist ein sehr heikles Thema, weil man da definitiv nicht sagen kann, wann Schluss ist. Es hängt halt von ganz, ganz vielen Faktoren ab. Die Umwelt ist oder die Umweltfaktoren sind die einen, die es natürlich begünstigen, in wie wie stark eine Geruchs Spur für den Hund wahrnehmbar ist.
POK Werda ab ca. 20:42 angesprochen auf die Mantrailer-Suche im Fall Rebecca Reusch:
Aber bei 4 Wochen zeitlichem Verzug sehe ich einfach - hab ich meine Zweifel, dass das funktioniert.
Reporterin Müller fragt ab ca. 21:26:
Der Spürhund-Spezialist und Dozent an der Polizeischule Sachsen, Leif Woidke, sagt, dass Personenspürhunde auch Spuren wittern können, die ein halbes Jahr alt sind. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Dazu POK Werda ab ca. 21:40:
Nein, meine Erfahrung ist das nicht.
Anmerkung: die Doktorarbeit von Lif Woidke, aus der diese Aussagen stammen, ebenso wie die zum DNA riechen (POK Werda sagt dazu, letztlich nichts dazu sagen zu können), ist umstritten. Es geht darum, ob gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen wurde. Geklärt/entschieden ist der Themenkomplex nocht nix, einen halbwegs aktuellen Überblick (Stand September 2023) mit weiteren, hier entbehrlichen, Details, findet sich beim
MDR.
Reporterin Müller fragt ab ca. 21:43:
Wo würden Sie denn ungefähr eine Grenze setzen?
Antwort POK Werda ab ca. 21:40:
Es ist wirklich schwierig, weil es einfach von ganz vielen Faktoren abhängig ist. Und wenn ich jetzt sage, meine Grenze ist 10 Tage, dann setzt man es dann voraus, dass es immer bei 10 Tagen klappt. Und deswegen kann ich in dem Fall nur sagen: unsere Hunde sind auf 36 Stunden geprüft. Auf 24 Stunden auf jeden Fall. Das ist ein Standard der polizeilich sozusagen im ganzen Bundesgebiet gearbeitet wird.
Meim Fazit dazu: die Personenspürhunde der Polizei haben in Prüfungen nachgewiesen, dass sie zusammen mit ihren Hundeführern (bis zu) 36 Stunden alte Spuren ausarbieten können. OK Werda scheint da etwas unsicherer bzw. vorsichtiger zu sein, da sie nach meiner Wahrnehmung betont, die Ausarbeitung von bis zu 24 Stunden alten Spuren für sicher möglich zu halten.
Aber alles an Spuren, was älter als 1,5 Tage ist, es gar um wochen- oder monatealte Spuren geht, hält diese polizeiliche Diensthundeausbilderung offenbar für unmöglich.
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Zur möglichen Höchstlänge einer verfolgbaren Spur.
POK Werda ab ca. 16:36:
Über Strecken kann man auch nicht sagen, ob ein Kilometer hört mein Hund auf oder er macht mindestens 10 Kilometer, weil es eben auch so abhängig ist von ganz vielen. Es kommt ja auch drauf an, suche ich jetzt in einer Großstadt wie Berlin oder suche ich eher in Brandenburg im Forst? Also auch da kann man keine endgültige Entscheid - oder keine, keine Grenze ziehen, wo ist der Hund an seiner Belastungsgrenze. Das weis man, das kann man nicht. Es kommt immer. Es kommt auch auf die Erfahrung vom Hund und vom Hundeführer an.
Mein Fazit: ich verstehe es so, dass es auch hier keine generellen allgemeingültigen Aussagen geben kann. Nasenarbeit ist für Hunde anstrengend, 10km am Stück laufen und dabei intensiv atmen/riechen scheint offenkundig eher unmöglich. Quer durch kaum begangenen Wald ist einfacher, da es weniger fremde menschliche und sonstige Gerüche gibt, die stören können. In dichtbebauter Großstadt, mit hoher Passantenfreuquenz, haben es die Hunde weit schwerer. Wohl auch, weil die gerade in Hochhausschluchten wohl fast immer vorhandene Luftbewegung die hinterlassene Duftspur eines Menschen quasi breiter und unsicherer macht. Ist das verständlich? Geht eine Person bei Windstille, sinken ihre Geruchspartikel von ihr/hinter ihr zu Boden und verbleiben dort. Ergebnis ist eine räumlich begrenzte Duftspur. Weht auch noch wechselnd Wind, werden Teile der Geruchspartikel von der eigentlichen schmalen Gehspur nach rechts, links, vorne, hinten, oben wegbewegt. Statt einer schmalen Duftspur hat der Mantrailer dann wohl einen breiten und auch schwächeren 'Duftteppich' vor der Nase.
Wilder Vergleich: dieser Effekt dürfte für all die nachvollziehbar sein, die schonmal bei Windstille bzw. Seitenwind neben bzw. hinter einer Person herliefen, der bei Deo/Parfum/After Shave definitiv keine Unterdosierung vorzuwerfen ist...
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Zur gerichtlichen Verwertbarkeit des Mantrailing.
Ab ca. 18:19 fragt Reporterin Müller:
Was wird denn vor Gericht als Beweis zugelassen von dem, was sie da entdecken und vielleicht auch protokollieren können?
Ab ca. 18:26 antwortet POK Werda:
Also in der Tat sind unsere Arbeiten nur Indizien. Es sind keine Beweise vor Gericht und ich sehe auch unsere Arbeit eher wie ein Puzzlestück. Also wir sind dazu da, das Gesamtbildvon der Straftat zu vervollständigen oder zu verbessern oder zu klarer zu machen. Und da ist der Hund natürlich eine ein gutes Mittel, aber eben für einen Richter nie ein Beweisstück. Kann es auch nicht sein, weil der Hund ja ein Lebewesen ist und nicht 'ne Maschine, die man an und ausschalten schalten kann und auch immer gleiche Ergebnisse verlangen kann.
Mein Fazit: während die Kriminaltechnik mit Finger-/Faser-/DNA-Spuren usw. etwas bietet, dass als sicherer Beweis dienen kann (weil etablierte wissenschaftliche Methode, bei sachgerechter Durchführung Ergebnisse sicher wiederholbar), können Ergebnisse von Mantrtailer-Einsätzen allenfalls Indizien sein. So, wie auch Zeugenaussagen. Die können stimmen, müssen aber nicht stimmen. Natürlich lässt sich die Frage der Glaubwürdigkeit etwas eingrenzen. Durch das zweifelsfrei sichere eigene Alltagswissen der Richter oder Gutachter. Zeugen, die in der norddeutschen Tiefebene Personen in 2,5 km Entfernung nur mit bloßem Auge sicher erkannt haben wollen, wären aus meiner, nunja, Sicht, dann ebenso wenig glaubwürdig, wie ein Mantrailer, der eine 2,5 Wochen alte Spur einer Person in einem Fahrzeug über 250km ausgearbeitet haben will.
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Zur Geruchsspur bzw. Geruchsspur vs. gelaufener Weg der Person
Ab ca. 24:48 sagt POK Werda:
Und Benji (?) lief ca. ein Kilometer kreuzfeld ein, wo ich mir auch schon während des gesamten Traits Gedanken gemacht habe. Wenn ich mir vorstelle, wie dieser Mensch hier lang - also man hätte da nicht langlaufen können, wo wir lang gelaufen sind. Aber das ist eben die Krux mit dem Geruch. Wir wissen nicht, wo er letztendlich liegt, nämlich nicht da, wo die Fußspuren sind, sondern da, wo der Wind oder die Umwelteinflüsse ihn halt hin tragen.
(?) Wie genau der Name des Hundes geschrieben wird, weis ich nicht.
Mein Fazit: möglicherweise nehmen viele an, Mantrailer würde mit minimaler seitlicher Abweichung genau den Weg/die Spur laufen, die die spurenlegende Person lief. Dem ist aber nicht so. Ein Mantrailer verfolgt keine am Boden verursachte Spur, sondern verfolgt die Geruchsspur, die entsteht, wenn ein Mensch sich fortbewegt und dabei Geruchspartikel verliert. Das kann die Suche problematischer machen - wenn bspw. Wind die Geruchspartikel vom Bürgersteig auf die angrenzende Straße verlagert hat. Je nach Verkehrsdichte ist dann ohne mehrere Begleiter oder/und verkehrslenkende Maßnahmen der Polizei im Realeinsatz nicht viel auszurichten.
So etwas in der Ausbildung realistisch zu trainieren ist daher auch nicht ohne.
Ähnlich, um nicht zu sagen fies, sieht es aus, wenn durch Luftbewegung die Duftspur vom 'bequemen' Waldweg in das angrenzende dichte Unterholz (ggf. gar mit Dornengebüsch) verlagert wurde.