@Peter0167 Was macht dich denn so sicher, das Nazideutschland heute genauso negativ betrachtet werden würde, wenn es den 2. Weltkrieg nicht verursacht und sechs Millionen Juden ermordet hätte? Das selbst ist ja eine Rückprojektion: wir sehen die Nazis gerade wegen ihrer Verbrechen ab 1939 als völlig diskreditiert an, und das auch zurecht. Wir wissen nach 80 Jahren (internationaler) Forschung auch, das die Juden diskriminierenden Gesetze bewusste Grenzverschiebungen waren um die Mitmachbereitschaft national zu testen und zu schauen, wie das Ausland reagiert.
Und das hatte bekanntlich folgende Ergebnisse: die Deutschen waren in ihrer übergroßen Mehrheit bereit, die Juden erst auszugrenzen und später ihre systematische Ermordung zu organisieren und mitzutragen. An der Ostfront, in den Lagern und nicht zuletzt an der Heimatfront, wo man fleißig und diszipliniert für den Endsieg schuftete. Und das nicht aus Angst vor Repression und Befehlsnotstand, sondern Opportunismus bis glühender Überzeugung.
Das Ausland war bis 1939 auch nicht auf einer dezidiert antifaschistischen Linie, sondern versuchte, Hitler lange zu beschwichtigen und opferte dafür auf dem Höhepunkt die Souveränität der Tschechoslowakei. Die Flüchtlingskonferenz von Evian hat gezeigt, wie gering die Bereitschaft zur Aufnahme jüdischer Flüchtlinge im Ausland war. Am Vorabend des 2. Weltkriegs drosselten die Briten die Einwanderung von Juden ins Mandatsgebiet Palästina, um die Araber nicht zu verprellen, die ihrerseits starke Sympathien für die Nazis hatten.
Kurz vor dem Überfall auf Polen, der erst einen europäischen Krieg vom Zaun brach, und sich letztendlich zu einem Weltkrieg auswuchs, paktierte die Sowjetunion mit den Nazis, trug ihrerseits durch den Einmarsch Ende September zur Liquidierung eines souveränen Polens bei und hielt sich bis zuletzt regelrecht sklavisch an die Vereinbarungen und lieferte den Deutschen nicht nur nach Moskau geflohene deutsche Antifaschisten aus, sondern auch Rohstoffe, auf die die Nazis zur Kriegsführung angewiesen waren. Trotzdem die Deutschen die polnische Intelligenz liquidierten und antisemitische Maßnahmen verschärften.
Und selbst 1944, auf dem Höhepunkt der Judenvernichtung, scheiterte ein Plan zur Rettung einer Million ungarischer Juden, weil die Alliierten nicht bereit waren, im Gegenzug die Nazis mit kriegswichtigen Materialien zu beliefern (und ich weiss, in welchem Dilemma sie da steckten, finde den Preis aber zu hoch).
Was macht dich also so sicher, Hitler und Co. würden, hätten sie die Verbrechen, auf denen unsere Ablehnung für sie heute hauptsächlich beruht, nicht begangen, heute genauso verurteilt werden? Es macht mehr Sinn, den Fokus auf den Blickwinkel der Zeitgenossen zu legen, und bei denen war Hitler trotz seiner Verbrechen an Juden oder politischen Gegnern national und international bis 1939ff. alles andere als diskreditiert.